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Zeitungsandachten

 

Platz machen für Gott

Vorletzte Woche bin ich umgezogen. In meinem Wohnort Neuenkirchen lebe ich nun dichter an der Kirche im Pfarrhaus. Ein Umzug ist spannend und aufregend. In meiner bisherigen Wohnung habe ich Dinge sortiert, mich von einigen Büchern und Gegenständen getrennt, aber wertvolle Erinnerungen, die mussten bleiben. Bücher wurden in Kisten gepackt, die Möbel wurden verladen, es wurde leerer und leerer. Eine Lampe blieb hängen, Zählerstände wurden abgelesen.

Abschied habe ich genommen von einem vertrauten Ort. Und wer weiß, wie es am neuen Ort wird? Noch sind nicht alle Kisten ausgepackt. In meinem Büro kamen zuerst die Bibelausgaben oben links ins Regal. Uropas Bücherschrank steht nun auch im Büro und nicht mehr im Wohnzimmer. So wechseln auch Möbel ihren Ort. Alles soll in diesen Tagen seinen Platz finden. Die neuen Nachbarn waren schon bei mir zu Besuch. Und erste Bilder sind aufgehängt.

Ich dachte zurück: " Du Herr machst, dass wir sicher wohnen". Die Worte waren an die Wand geklebt, als ich in meiner Leipziger Studentenzeit in einer Wohngemeinschaft lebte. Und rund um dieses Foto haben wir Fotos mit gemeinsamen Erlebnissen und Erinnerungen an die Wand gehängt.

"Sicher wohnen" - ich bin dankbar für Renovierungsarbeiten, die Handwerker in kurzer Zeit in diesem Sommer hinbekommen haben. Und es sind eben die Menschen, die das Wohnen angenehm machen. Einige Menschen kamen schon vorbei. Andere haben sich bereits angemeldet. Im Buch Sacharja sagt Gott: "Denn siehe, ich komme und will bei dir wohnen." Die Worte (Sacharja 4,9) schrieb mir eine Freundin. Dieser Gedanke begleitet mich beim Einräumen und Platz schaffen. Platz machen für Gott. Das möchte ich. Gott danken dafür, dass ich sicher wohne. Und ich bin immer wieder im Gespräch mit Gott im Tageslauf.

Wenn mich Menschen besuchen, dann bereite ich die Wohnung dafür vor. Auch für Gott möchte ich Raum schaffen, möchte mit ihm reden und ihm danken für die Menschen, mit denen ich hier lebe oder mit denen ich verbunden bin. Ich möchte Gott auch für die Menschen bitten, von denen ich aus den Nachrichten höre.

Allen Menschen wünsche ich, hier im Ort, in unserer Region und in aller Welt, dass wir zufrieden und friedlich leben. Und dass Gott bei uns einen Platz hat. Er sagt: "Siehe, ich komme und will bei dir wohnen."

Matthias Winkelmann

Pastor in der Kirchengemeinde Neuenkirchen

Erschienen am 24. August 2024 in der Böhme-Zeitung

Archiv

Verwunschen könnte man das Haus nennen. Der Zaun hängt schon etwas schief, Unkraut und Mohnblumen sprießen aus den Ritzen, der Baum hinter der Einfahrt wuchert. Man sieht dem Garten an, dass schon lange kein Rasenmäher mehr vorbeigetuckert ist. Die Nachbarhäuser sehen anders aus: akkurat geschnittene Büsche, frisch verputzte Fassade, mehrere Autos auf dem Hof. Ich kann mir vorstellen, dass ihnen das sprießende Grün nebenan ein Dorn im Auge ist. Vermutlich empfinden sie das alte Haus nicht als verwunschen, sondern als verwahrlost.

Ja, aber: Bei genauerem Hinhören gibt es hier noch mehr zu entdecken. Aus diesem Garten heraus zwitschert es extrem laut, Unmengen von Vögel im wuchernden Baum. Im Unkraut zirpt es laut – Grillen! Und ist das womöglich ein Froschkonzert aus einem Teich weiter hinten auf dem großzügigen Terrain? Das ist schon etwas anderes als bei den versiegelten Flächen ein paar Meter weiter.

Als ich weitergehe, an den chicen Nachbarhäusern entlang, merke ich, wie warm es vor ihnen auf dem Bürgersteig ist. Überrascht gehe ich zurück zu dem verwunschenen Haus. Tatsächlich: Angenehm kühl ist es dort. Und noch einmal staune ich über das Gezirpe, Gezwitscher und Gequake. Ein kleines Stück Natur.

Beim schnellen Vorbeifahren hätte ich das alte Haus lediglich als ungepflegt, heruntergekommen bezeichnet und den Kopf geschüttelt. Wie kann man nur?!

Bei meinem Spaziergang hat sich mir noch etwas anderes erschlossen: der Wert des Ungeordneten für die Natur. Wie viel mehr Lebewesen können sich hier auf diesem struppigen Gartenstück tummeln als auf der versiegelten Nachbars-Fläche!

Gegen Insektensterben etwas zu unternehmen, ist offenbar gar nicht so schwierig: einfach wachsen lassen. Das Gartenchaos – bei näherem Betrachten ein Paradies für Tiere.

Und ist das nicht auch ein guter Tipp für unsere zwischenmenschlichen Begegnungen? Schaue nicht nur einmal hin. Urteile nicht vorschnell. Wage einen zweiten Blick. Nimm die anderen Sinne zu Hilfe, um etwas wahrzunehmen.

Ich erinnere mich an Jesus, der seine Mitmenschen so anschauen konnte.

Ich denke an den Vers aus dem Alten Testament: „Der Mensch sieht nur auf das Äußere, der Herr aber sieht auf das Herz.“ (1. Samuel 16, 7c)

Auf dass es uns immer wieder gelingen möge, auf das hinter dem Äußeren zu schauen!

Maren Zerbe

Pastorin in der Kirchengemeinde Neuenkirchen und
in der Region Schneverdingen-Neuenkirchen-Heber

 

Erschienen am 22. Juni 2024 in der Böhme-Zeitung

Wir feiern Ostern. Die Auferstehung Jesu. Das Grab ist leer. Jesus lebt. Und es sind die Begegnungen mit Jesus, die die Jünger und Jüngerinnen erkennen lassen: Jesus lebt. Er ist da, im Brotbrechen, im Miteinander.
Das Grab ist leer. In einem Bild ist es schon heiter stimmend in der Corona-Zeit über unsere Mobiltelefone gewandert: Da ist eine leere Grabeshöhle zu sehen. An der Seite liegt ein großer Stein. Und unter dem Bild steht: „Das mit der Ausgangssperre hat zu Ostern noch nie geklappt.“
In der Woche vor Ostern bin ich in Wien und besuche dort in der lutherischen Stadtkirche den Gottesdienst und höre am Abend die Johannespassion von Bach. Immer wieder wandert mein Blick in den Altarraum in die Höhe. Über dem Altar gibt es eine Empore. Sie ist unbenutzt. Warum sie überhaupt da ist, weiß ich nicht. Oben auf der Empore gibt es eine Tür. Die Tür ist nicht verschlossen, sie ist leicht geöffnet. Na, denke ich, wer hat denn die Tür nicht zu gemacht? Und ich denke, daran hätte man ja denken können, dass die Tür da oben für alle zu sehen ist, und wenn sie offen steht, ist das doch unachtsam.
Über der Tür ist das Notausgangsschild angebracht, in grün-weiß bedruckt, und es ist sogar beleuchtet. Wer braucht dort ein beleuchtetes Notausgangsschild, frage ich mich. Neben der Tür, die links auf der Empore liegt, steht ein Bibelwort in goldenen Buchstaben: „Der Herrn Wort bleibet in Ewigkeit.“
Immer wieder gucke ich nach oben zu der geöffneten Tür. Und ich sehe das beleuchtete Schild, das den Notausgang kennzeichnet.
Vielleicht soll die Tür sogar offen sein, denke ich. Wer hier in die Kirche kommt, soll doch merken, wohin der Notausgang führt, und dass er geöffnet ist, da oben, in der Höhe.
Und all das, weil Gott seine Tür öffnet. Für mich, für dich. Weil Jesus getragen wird in ein neues Leben. Darum feiern wir Ostern. Bei uns, weltweit – und in Wien. Die offene Tür da oben, das ist ein Symbolbild für mich. Für das geöffnete Grab, für den Notausgang aus Lebenssituationen. Die geöffnete Tür, ein Zeichen für Gott, der da ist, sich nicht verschließt. Der Weg ist leuchtend gekennzeichnet. Vielleicht sogar wie eine Pforte zum
Himmel.
Ja, denke ich, das ist der Hit, diese offene Tür, die einfach so da ist. Gott, der da ist. Mit seinem Licht. Gott schenke uns allen den Blick in die Höhe und dass wir seine geöffnete Tür entdecken.

Matthias Winkelmann

Pastor in der Kirchengemeinde Neuenkirchen

Erschienen am 6. April 2024 in der Böhme-Zeitung

Meine Mutter hat ein Knöllchen bekommen. Das allein ist nicht spektakulär genug, um es zu erzählen, aber der Hintergrund dazu durchaus. Sie hatte einen Arzttermin in der nächstgrößeren Stadt. Sie ist über 80, fährt aber noch selbst souverän Auto. Sie hatte einen Parkplatz in der Nähe der Praxis gefunden und wollte ein Parkticket ziehen. Jedoch: Es gab keine herkömmlichen Automaten mit Münzeinwurf, sondern nur noch digital zu erwerbende Tickets. Nun besitzt meine Mutter trotz ihres Alters ein Smartphone und nutzt es regelmäßig. „Einfach die Park-App herunterladen und ganz bequem per Mobiltelefon bezahlen“ kann sie jedoch nicht. Es war ihr nicht möglich, digital einen Parkschein zu kaufen – und eine analoge Alternative gab es dort im Umkreis nicht. Inzwischen nahte der Arzttermin und sie musste wohl oder übel ihr Auto ohne Ticket zurücklassen. Ergebnis: Knöllchen.

Das ist nicht nur ein ärgerliches bis empörendes Erlebnis. Es kann bei einem älteren Menschen ja auch ein Gefühl zurückbleiben von „Ich kann das nicht mehr, ich bin dem Alltag nicht mehr gewachsen, ich gehöre nicht mehr dazu“. Und dann beginnt die Selbständigkeit tatsächlich zu bröckeln, das Selbstbewusstsein auch.

Digitalisierung wird hochgelobt und immer wieder eingefordert. Sie erleichtert in der Tat vieles, aber: Dieses alltägliche Beispiel hinterlässt auch die Frage, wie wir als Gesellschaft mit alten Menschen umgehen – und mit denen, die aus welchen Gründen auch immer digital nicht so bewandert sind. Werden da nicht viele abgehängt und bleiben auf der Strecke? Gilt es nicht, die an dieser Stelle Schwächeren mitzunehmen, um ihnen möglichst lange die Selbständigkeit zu erhalten und Teilhabe zu ermöglichen? Sind wir als jüngere Generationen das nicht auch alten Menschen schuldig? „Vater und Mutter sollst du ehren“ – das ist aus den Zehn Geboten allgemein bekannt. Aber die Bibel fordert generell den Respekt vor alten Menschen, z.B. im 3. Buch Mose: „Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren…“ (3. Mose 19, 32). Respekt, Wertschätzung, Anerkennung sind alle der älteren Generation schuldig, im persönlichen Bereich sowieso, aber auch in den gesellschaftlichen Strukturen. Ich finde: Dazu gehört auch, dass nicht alles und jedes digital sein kann – aus Rücksicht.

Maren Zerbe

Pastorin in der Kirchengemeinde Neuenkirchen und in der Region Schneverdingen-Neuenkirchen-Heber

Erschienen am 24. Februar 2024 in der Böhme-Zeitung

„One of us“, ein Lied von Joan Osborne, das mancher aus dem Radio kennt, haben wir neulich auf der Konfirmandenfreizeit unserer Region gesungen. Wie wäre das, wenn Gott einer von uns wäre? Wenn Jesus uns im Bus begegnen würde?

Ein interessantes Gedankenspiel, das mir gefällt. Wie wäre das, wenn Jesus bei mir zuhause einziehen würde? Wenn Jesus mit mir auf Reisen ginge? Was würden wir unternehmen und erleben? Worüber würden wir reden? Der Hamburger Pastor Jonas Goebel hat dieses Gedankenspiel ausgiebig weitergespielt und in eine schriftliche Form gegossen. Auf humorvolle Weise erzählt er in seinem ersten Buch „Jesus, die Milch ist alle“ von Jesus als neuem Mitbewohner in seiner Wohngemeinschaft, Martin Luther im Schlepptau. Im Fortsetzungsband „Jesus, Füße runter!“ taucht Jesus überraschend bei dem jungen Pastor und seiner Freundin Trixi wieder auf und begleitet sie bei ihrer Interrail-Tour durch Europa. Sarajevo, Istanbul, Rom, Paris, London Lissabon, die Lofoten. Partys im Zug, gemeinsame Erlebnisse in Casinos, Hostels und Disneyland – überall ist Jesus dabei. Jesus – eine verstaubte Figur von vor über 2000 Jahren, irrelevant für die Gegenwart? In seinen Büchern gelingt es Jonas Goebel, Jesus lebendig werden zu lassen. Sympathisch ist er, aber auch manchmal eine Nervensäge, zurückhaltend, aber manchmal auch aufdringlich. Einer, der überraschende, wundersame Lösungen aus der Tasche zaubert.

In den lockeren und witzigen Grundton sind tiefgehende Themen über Glauben und Nachfolge, über Tod und Leben, Liebe und Leid, die Kirche und ihre Verfehlungen eingewoben. Und gerade wegen der leichten Schreibweise kommen die Themen nicht schwerfällig, langweilend oder belehrend daher. Sie sind mitten im Leben verortet, mittendrin, bewegend und relevant. Zugegeben, manches ist frech und etwas verrückt. Aber es bringt dabei die Gedanken weiter: auf welche Menschen Jesus heute zugehen würde, wie er Konflikte lösen würde, wie er leben würde.

Ein lebendiges Buch, das sich zu lesen lohnt – für Konfirmandinnen und Konfirmanden rund um die Konfirmation und überhaupt für alle, die einen niedrigschwelligen Einstieg wollen, um über den christlichen Glauben (wieder) zu sprechen. Für alle, die sich einlassen mögen auf das inspirierende Gedankenspiel: Wie wäre es, wenn Jesus bei mir auftauchen und einer von uns würde…?

Maren Zerbe

Pastorin in der Kirchengemeinde Neuenkirchen und in der Region Schneverdingen-Neuenkirchen-Heber

Erschienen am 04. März 2023 in der Böhme-Zeitung

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